NACH DATTELN

In deutlich kürzerer Frist als im Fall des 1905 im Kreistag beschlossenen Baus einer Straßenbahnlinie von Recklinghausen nach Suderwich wurde das im Mai 1908 verabschiedete Projekt der Straßenbahn über Erkenschwick nach Datteln umgesetzt. Hier gab es keine Großprojekte, die wie im Fall des Eisenbahn- und Kanalbaus gegebenenfalls eine Umplanung der Trasse erfordert hätten.

ÜBER ERKENSCHWICK

Am 15. Dezember 1909 konnte die 5,75 Kilometer lange Strecke von Recklinghausen nach Erkenschwick in Betrieb genommen werden. Sie zweigte bereits wenige Meter hinter dem Kunibertitor nach Norden in die damalige Horneburger Straße (seit 1926 Dortmunder Straße) ab. Dieser und der in Erkenschwick anschließenden Horneburger Straße – auch sie hatte man nach der gleichnamigen Gemeinde im Amt Datteln benannt – folgte die Trasse bis zur Einmündung der Stimbergstraße. Dieser folgte die Trasse sodann bis in das Zentrum von Erkenschwick.

Auch die Strecke nach Erkenschwick wurde überwiegend eingleisig trassiert. In der Horneburger Straße lag das Gleis zunächst stadtauswärts auf der linken Seite, wechselte dann aber im weiteren Verlauf auf die rechte, südliche Seite. In der Stimberstraße lag das Gleis auf der östlichen Straßenseite, auf dem bis zur Zeche Ewald Fortsetzung anschließenden Streckenstück in der Marktstraße lag es auf der westlichen Straßenseite.

EWALD FORTSETZUNG

Vier Jahre nach der Eröffnung wurde die Strecke am 31. Mai 1913 um 5,34 Kilometer bis Datteln verlängert. Von der Ausweiche an der Zeche Ewald Fortsetzung folgte die Trasse der Straßenbahn der heutigen L 610 bis in das Zentrum von Datteln. Auf diesem Teilstück lag das Gleis durchgehend auf der südlichen Straßenseite. Heute trägt dieser Straßenzug in Datteln die Bezeichnung Friedrich-Ebert-Straße.

Kurz vor dem Ortseingang von Datteln befand sich östlich von der Hausnummer Friedrich-Ebert-Straße 251 auf freier Strecke nochmals eine Ausweiche. In Datteln angekommen bog die Straßenbahn nach Norden in die Castroper Straße ab. Die erste Endstelle befand sich auf der Nordseite des Neumarktes in der Hohen Straße.

HOHE STRASSE

Bereits ein Jahr später, am 1. März 1914, konnte eine rund 800 Meter lange, eingleisige Ergänzungsstrecke über die Hohe Straße, den „Tigg“ genannten Marktplatz und die anschließende Lohstraße zur neuen Endstelle „Datteln Loh“ in Betrieb genommen werden. Die Endstelle lag jetzt zwischen der Einmündung des Grünen Weges und der Gartenstraße. Da die Straßenbahn bis Datteln Beiwagen mitführte, gab es an der Endstelle ein Umsetzgleis.

Mit der Neubaustrecke erhielten insbesondere das 1912/13 im neoklassizistischen Stil errichtete Rathaus, die 1911/12 gebaute Lohschule und der Hauptfriedhof einen Straßenbahnanschluss.

Theoretisch hätte man das Streckennetz von der Endstelle Loh über die Münsterstraße bis Olfen weiterführen können. Diese Verbindung wurde im April 1925 von den Vestischen Kleinbahnen als Teil der Omnibuslinie Datteln – Olfen – Selm realisiert. Sie erhielt Anfang der 1930er-Jahre die Liniennummer 25. Eine weitere Omnibusverbindung, die Linie 24, führte ab Mai 1930 von Datteln nach Haltern. Die Omnibuslinie 23 stellte im gleichen Jahr erstmals die ursprünglich als Straßenbahn geplante Verbindung von Datteln über Waltrop nach Mengede her.

Viele Fahrgäste gab es auf der Altstadtstrecke nicht. Die meisten Passagiere verließen die Bahn am Neumarkt und erledigten von dort aus auch ihre Einkäufe und Besorgungen in der Altstadt. Das führte bereits 1921 zu einem Rückzug der Endstelle vom Loh zum Neumarkt. In späteren Jahren wurde der Betrieb wieder aufgenommen – die Fahrgäste blieben weiterhin aus.

Am 1. Mai 1935 wurden die Gleise in der Hohen Straße aufgegeben. Zwischenzeitlich hatte man sogar einen zweigleisigen Ausbau erwogen. Da es sich bei der Einstellung des Straßenbahnverkehrs in der Hohen Straße um eine der ersten endgültigen Streckenstilllegungen handelte, erwähnt die Chronik der Vestischen Straßenbahnen von 1951 auch den Ausbau der Gleise. Erhalten blieben bis heute einige Aufhängungen der Oberleitung.

Fortan lag die Endstelle der Vestischen Kleinbahnen am Neumarkt, anfangs wohl noch parallel zur Castroper Straße auf der Westseite des Platzes. In unmittelbarer Nähe dieser Endstelle gab es eine Wartehalle mit einem kleinen Uhrenturm. Sie beherbergte auch die Trafostation für die Stromversorgung der Straßenbahn.

Später entstand auf der Südseite des Neumarkts in Verlängerung der heutigen Friedrich-Ebert-Straße eine neue Endstelle. Um diese zu erreichen, mündeten die eingleisigen Strecken aus Erkenschwick und Meckinghoven vor dem Neumarkt jeweils in einen kurzen zweigleisigen Abschnitt. Über eine doppelgleisige Weichenanlage wurden die Trassen in die heutige Martin-Luther-Straße geführt, um dort in einem eingleisigen Gleisstumpf zu enden. Von diesem aus sollte das Netz, wie in Planungen aus den 1920er-Jahren vorgesehen, nach Waltrop weitergeführt werden. Da es dazu nicht mehr kam, wurde die Spitzkehre vor allem zum Umsetzen der Triebwagen im Beiwagenbetrieb genutzt.