NACH DORSTEN

Nach der im Mai 1914 eröffneten Strecke von Recklinghausen nach Hüls Recklinghausen wurde bereits im folgenden Jahr eine weitere Strecke von Recklinghausen in das heutige Stadtgebiet von Marl geführt. Am 29. August 1915 wurde die 8,7 Kilometer lange Verbindung vom Lohtor in Recklinghausen zum Amtshaus in Marl als Linie 6 in Betrieb genommen.

Kurze Zeit später, am 6. Oktober 1915 konnte in Recklinghausen über die Springstraße die rund 340 Meter „Lücke“ zwischen dem Lohtor dem Bahnhof geschlossen werden.

NACH BRASSERT

Im Norden von Marl hatte die 1905 gegründete Gewerkschaft Brassert 1906 begonnen, den ersten Schacht einer neuen Steinkohlenzeche abzuteufen. Die Teufarbeiten für einen weiteren Schacht folgten 1908. 1910 nahm das neue Bergwerk die Förderung auf.

1913 beschäftigte die Zeche bereits über 1.500 Mitarbeitende. Sie lebten in einer neuen Kolonie, die in fußläufiger Entfernung zur Schachtanlage Brassert errichtet worden war.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg begannen die Vestischen Kleinbahnen mit dem Bau einer Straßenbahnverbindung von Marl in die rund 1,8 Kilometer entfernte Kolonie Brassert. Am 1. September 1918 wurde die neue Verbindung als Fortführung der Linie 6 zwischen dem Amtshaus in Marl und der Kolonie Brassert eröffnet. Die Linienlänge wird in der Literatur mit 2,2 Kilometern angegeben.

NACH HERVEST

Anfang der 1920er-Jahre hatten die Vestischen Kleinbahnen große Pläne für den Ausbau ihres Straßenbahnnetzes. Ziel war es die Linie 6 zunächst nach Dorsten weiterzuführen. Von dort aus sollte die Straßenbahn mittelfristig weiter über den Wesel-Datteln-Kanal und die Lippe bis nach Hervest fahren.

Der 8,3 Kilometer lange Streckenabschnitt von Marl zum Dorstener Bahnhof konnte am 1. Februar 1921 in Betrieb genommen werden. Zwischen Marl und Dorsten lag die eingleisige Trasse überwiegend auf einem eigenen Bahnkörper auf der Nordseite der heutigen Bundesstraße 225. Die Abnahmefahrt fand bereits am 31. Januar 1921 statt.

Auch die Strecke nach Dorsten wurde fortan von der Linie 6 bedient. Zwischen Marl und Dorsten fuhren die Wagen im Stundentakt, zwischen Recklinghausen und Marl gab es einen 30-Minuten-Takt, indem die Wagen der Linie 6 ab Marl Amtshaus abwechselnd nach Dorsten und Brassert fuhren. Die Fahrtzeit von Recklinghausen nach Dorsten betrug 49 Minuten.

Die Endstelle in Dorsten lag zunächst im Bereich der Recklinghäuserstrasse auf der Ostseite des Bahnhofs. Nachdem am Bahnhof Mitte der 1920er-Jahre eine neue und breitere Eisenbahnüberführung fertiggestellt werden konnte, wurden die Gleise um rund 400 Meter verlängert und näher an das Stadtzentrum herangeführt. Die Straße erhielt in diesem Bereich die neue Bezeichnung Vestische Allee. Die Endstelle lag in Höhe des Hotels Altenburg an der Einmündung des Ostwalls. Heute zählt dieser Bereich zum Platz der Deutschen Einheit.

Die Weiterführung nach Hervest wurde nicht realisiert. Die beim Bau einer neuen Kanalbrücke im Jahr 1925 bereits verlegten Gleise wurden später wieder entfernt.

36 KILOMETER LINIENLÄNGE

Wie die von Recklinghausen durch Sinsen und Hüls nach Marl führende Strecke wurde auch die Direktverbindung von Recklinghausen nach Marl Ende der 1920er-Jahre in einen Langlauf integriert: in die über 36,3 Kilometer messende Verbindung von Datteln über Suderwich, Recklinghausen und Marl nach Dorsten. Wie zuvor die Linie 6 wurde auch die neue Linie 3 in Marl geteilt. Jeder zweite Kurs fuhr nach Brassert.

EINE NEUE ENDSTELLE

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Langlauf aufgegeben. Die südliche Endstelle war nun wieder der Hauptbahnhof in Recklinghausen.

Die Linie 6 fuhr in den ersten Nachkriegsjahren von Recklinghausen über Marl zu den Chemischen Werken in Hüls, die Linie 16 verband Recklinghausen und Dorsten. Die Strecke nach Brassert wurde von der kurzen Linie 21 befahren. Die Fahrzeit betrug gerade einmal sieben Minuten.

Mit dem Fahrplanwechsel am 8. Mai 1955 übernahm die Linie 6 den Abschnitt Marl – Brassert. Im Gegenzug pendelte die Linie 21 jetzt zwischen Marl und den Chemischen Werken Hüls.

Die Linie 16 erhielt 1955 in Dorsten eine neue Endstelle in Form eines Stumpfgleises im Bereich des neuen Dorstener Busbahnhofs. Zur gleichen Zeit kamen anstelle der zuvor üblichen zweiachsigen Triebwagen jetzt auch auf „16“ die modernen vierachsigen Großraumwagen der Vestischen Straßenbahnen zum Einsatz.

ABSCHIED IM MAI 1960

Obwohl die Trasse der „16“ zwischen Marl und Dorsten durchweg gut ausgebaut war, konnte die Straßenbahn der Flexibilität des eigenen Personenkraftwagens wenig entgegensetzen. So gehörten die Linien 6 und 16 zu den bereits früh eingestellten Verbindungen der Vestischen Straßenbahnen. Mit dem Fahrplanwechsel zum 29. Mai 1960 wurde der Straßenbahnbetrieb zwischen Marl, Brassert und Dorsten eingestellt.