NACH DORSTEN

Anfang der 1920er-Jahre hatten die Vestischen Kleinbahnen große Pläne für den Ausbau ihres Straßenbahnnetzes. Ziel war es die Linie 6 zunächst nach Dorsten weiterzuführen. Von dort aus sollte die Straßenbahn mittelfristig weiter über den Wesel-Datteln-Kanal und die Lippe bis nach Hervest fahren, um den Bergleuten der Schachtanlage Fürst Leopold eine gute Nahverkehrsanbindung zu bieten (Verlag Ferdinand Kaschewitz, Buer – Sammlung Ludwig Schönefeld).

Am 1. Februar 1921 konnte der 8,3 Kilometer lange Streckenabschnitt von Marl zum Dorstener Bahnhof in Betrieb genommen werden. Die Abnahmefahrt fand bereits am 31. Januar 1921 statt.

Zwischen Marl und Dorsten lag die eingleisige Trasse wie bereits zwischen Recklinghausen und Marl überwiegend auf einem eigenen Bahnkörper auf der Nordseite der heutigen Bundesstraße 225.

Zwischen Marl und Dorsten fuhren die Wagen im Stundentakt, zwischen Recklinghausen und Marl gab es einen 30-Minuten-Takt, indem die Wagen der Linie 6 ab Marl Amtshaus abwechselnd nach Dorsten und Brassert fuhren. Die Fahrtzeit von Recklinghausen nach Dorsten betrug 49 Minuten.

KANALBRÜCKE

Für die ursprünglich geplante Weiterführung nach Hervest wurden beim Bau neuer Brücken über den Wesel-Datteln-Kanal im Jahr 1925 bereits die Gleise verlegt. Auf der nachfolgenden Postkarte sind sie gut zu erkennen (Verlag Ferdinand Kaschewitz, Buer – Sammlung Ludwig Schönefeld):

Trotz der Euphorie und der baulichen Vorleistungen wurde die Weiterführung nach Hervest nicht realisiert. Die im Bereich auf der neuen Kanalbrücke verlegten Gleise wurden später wieder entfernt.

Fahrgäste, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiter nach Norden reisen wollten, mussten mit dem Bus vorliebnehmen. Dessen Haltestelle befand sich auf dem Dorstener Marktplatz.

VESTISCHE ALLEE

Die Endstelle in Dorsten lag zunächst im Bereich der Recklinghäuserstrasse auf der Ostseite des Bahnhofs. Nachdem am Bahnhof Mitte der 1920er-Jahre eine neue und breitere Eisenbahnüberführung fertiggestellt werden konnte, wurden die Gleise um rund 400 Meter verlängert und näher an das Stadtzentrum herangeführt. Die Straße erhielt in diesem Bereich die neue Bezeichnung Vestische Allee. Die Endstelle lag in Höhe des Hotels Altenburg an der Einmündung des Ostwalls. Heute zählt dieser Bereich zum Platz der Deutschen Einheit.

Das hier als Beitragsbild gezeigte Motiv zeigt die Endstelle der Straßenbahn in der Vestischen Allee im Jahr 1942. Das Motiv wurde damals als Teil einer Mehrbildbild-Postkarte verwendet (Verlag Cramers Kunstanstalt, Dortmund – Sammlung Ludwig Schönefeld):

36 KILOMETER LINIENLÄNGE

Wie die von Recklinghausen durch Sinsen und Hüls nach Marl führende Strecke wurde auch die Direktverbindung von Recklinghausen nach Marl Ende der 1920er-Jahre in einen Langlauf integriert: in die über 36,3 Kilometer messende Verbindung von Datteln über Suderwich, Recklinghausen und Marl nach Dorsten. Wie zuvor die Linie 6 wurde auch die neue Linie 3 in Marl geteilt. Jeder zweite Kurs fuhr nach Brassert.

EINE NEUE ENDSTELLE

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Langlauf aufgegeben. Die südliche Endstelle war nun wieder der Hauptbahnhof in Recklinghausen.

Die Linie 6 fuhr in den ersten Nachkriegsjahren von Recklinghausen über Marl zu den Chemischen Werken in Hüls, die Linie 16 verband Recklinghausen und Dorsten. Die Strecke nach Brassert wurde von der kurzen Linie 21 befahren. Die Fahrzeit betrug gerade einmal sieben Minuten.

Mit dem Fahrplanwechsel am 8. Mai 1955 übernahm die Linie 6 den Abschnitt Marl – Brassert. Im Gegenzug pendelte die Linie 21 jetzt zwischen Marl und den Chemischen Werken Hüls.

Die Linie 16 erhielt 1955 in Dorsten eine neue Endstelle in Form eines Stumpfgleises im Bereich des neuen Dorstener Busbahnhofs. Zur gleichen Zeit kamen anstelle der zuvor üblichen zweiachsigen Triebwagen jetzt auch auf der „16“ die modernen vierachsigen Großraumwagen der Vestischen Straßenbahnen zum Einsatz.

Das nachfolgende Bild zeigt den Großraumwagen 355 am 3. Februar 1958 neben dem von Krauss-Maffei gelieferten Omnibus 66 (Foto Dieter Waltking – Sammlung Axel Reuther).

ABSCHIED IM MAI 1960

Obwohl die Trasse der „16“ zwischen Marl und Dorsten durchweg gut ausgebaut war, konnte die Straßenbahn der Flexibilität des eigenen Personenkraftwagens wenig entgegensetzen. So gehörten die Linien 6 und 16 zu den bereits früh eingestellten Verbindungen der Vestischen Straßenbahnen. Mit dem Fahrplanwechsel zum 29. Mai 1960 wurde der Straßenbahnbetrieb zwischen Marl und Dorsten eingestellt.