NACH STERKRADE

Die noch heute in Teilen als Industriedenkmal vorhandene, 1758 gegründete St.-Anthony-Hütte in Oberhausen-Osterfeld gilt als Keimzelle der Eisenverarbeitung im Ruhrgebiet. 1782 wurde im benachbarten Sterkrade in der Hütte „Gute Hoffnung“ erstmals Eisen geschmolzen. 1791 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft der bereits bestehenden Hütten die Hütte „Neu Essen“ gegründet. 1808 brachten die damaligen Eigentümer der drei Hüttenbetriebe ihre Anteile in die Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen (JHH) ein, aus der 1873 der Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb, Gutehoffnungshütte (GHH) hervorging.

1854 erwarb die JHH im Raum Oberhausen ergiebige Kohlelagerstätten, um aus selbst geförderter Steinkohle den für die Verhüttung der Erze notwendigen Koks zu gewinnen. 1854 und 1855 wurden die Schächte Königsberg I und II abgeteuft. 1858 erhielt das Bergwerk den Namen Oberhausen, 1859 wurde die Förderung aufgenommen. Die Schachtanlage blieb bis 1931 in Betrieb.

Um den stetig steigenden Brennstoffbedarf des wachsenden Hüttenwerkes zu decken, entschied sich die GHH, nunmehr auch ihr Grubenfeld „Neu-Oberhausen“ zu erschließen. Die notwendige Förderanlage sollte auf einem 1905 im Osterfelder Ortsteil Klosterhardt erworbenen Grundstück errichtet werden. Die Teufarbeiten für die Schächte I und II der „Jacobi“ genannten Zeche wurden 1912 aufgenommen. Bereits 1913 konnte die Förderung aufgenommen werden.

Die neue Schachtanlage lag im Norden des Amtes Osterfeld an der heutigen Jacobistraße. Für die parallel zum Bau der Zeche angeworbenen Bergleute entstanden umfangreiche Zechensiedlungen auf der nördlich der heutigen Sterkrader Straße liegenden Heide sowie zwischen der heutigen Teutoburger Straße und der Schachtanlage Jacobi I/II.

ENGAGEMENT FÜR DIE STRASSENBAHN

Bereits früh setzten sich die GHH und die Zechenverwaltung für eine Anbindung der Zeche und ihrer Siedlungen an das öffentliche Verkehrsnetz ein. Der Kreis Recklinghausen als Eigentümer der Straßenbahn unterstützte das Projekt. Bereits am 14. Januar 1915 konnte man in der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung, die das Geschehen im Vest aufmerksam verfolgte, lesen, dass „die neue Strassenbahn-Linie Sterkrade – Bottrop bereits in aller Kürze in Angriff genommen werde“.

Die neue Linie sollte am Pferdemarkt in Bottrop beginnen. Nach den 1914 ausgearbeiteten Plänen sollte die Trasse über die damals vis-à-vis von der Hoch-Strasse vom Pferdemarkt nach Norden abzweigende Sterkrader-Strasse zur Klosterhardt und von dort über die spätere Teutoburger Straße weiter bis an die Stadtgrenze von Sterkrade geführt werden.

Gleichwohl: Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 brachte die Sache zum Stillstand. Trotz der positiven Signale Anfang 1915 kam es nicht zum Bau. Schuld daran war nicht allein der Krieg. Vielmehr waren die Stadt Oberhausen und die am 17. März 1913 selbstständig gewordene Stadt Sterkrade in einen Streit darüber geraten, wer die neue Straßenbahnstrecke zwischen Sterkrade und der Grenze nach Osterfeld bauen (und betreiben) sollte: der Kreis Recklinghausen oder die Stadt Oberhausen. Zwar wurde in der Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung am 27. April 1915 noch die Möglichkeit erwogen, dass der Kreis Recklinghausen die Straßenbahn zumindest von Bottrop bis Osterfeld bauen könnte. Doch auch dazu kam es nicht mehr: einerseits aufgrund des Krieges und in der Nachkriegszeit andererseits durch die Auswirkungen von Inflation und Ruhrbesetzung.

ERFOLGREICHE VERHANDLUNGEN

Erst Mitte der 1920er-Jahre kam wieder Bewegung in die Sache. Nach der Währungsreform von 1924 hatte sich die wirtschaftliche Situation der Vestischen Kleinbahnen stabilisiert, und auch in den Verhandlungen mit den Städten Sterkrade und Oberhausen zeigte sich eine Einigung bezüglich der Durchführung des Straßenbahnverkehrs von Bottrop nach Sterkrade ab. Als Endstelle der Linie wurde nunmehr der Bahnhof in Sterkrade angestrebt. Ab der Stadtgrenze sollte die Linie über die Gleise der Oberhausener Straßenbahn geführt werden.

In Bottrop hatte man bereits 1912/13 den Streckenabschnitt zwischen dem Pferdemarkt und dem Marienhospital zweigleisig ausgebaut. Im Gegensatz zu der 1914 angedachten Trassenführung über die Sterkrader Straße wurde die neue Linie jetzt bis zur Einmündung der Straße „Heidenheck“ über die Osterfelder Straße geführt. Nach dem doppelgleisigen Abzweig westlich der Haltestelle „Heideneck“ wurde die Strecke eingleisig über einen noch als Anliegerstraße existierenden Weg bis zur Kreuzung mit der in einem tiefen Geländeeinschnitt verlaufende Bahnlinie Duisburg – Quakenbrück geführt.

Die Unterführung hatte man ursprünglich als untertunnelten Damm realisiert. Zwischen 1928 und 1933 wurde der Damm durch eine modernere Brücke ersetzt, die dann auch das Straßenbahngleis aufnahm. Ein ursprünglich zweigleisiger Ausbau wurde gleichwohl verworfen.

Bis zur Ausweiche an der Haltestelle Zeche Jacobi, die unmittelbar an der Grenze zwischen Bottrop und Osterfeld lag, nutzte die weiterhin eingleisige Strecke die Nordseite der Sterkrader Straße. In Osterfeld schloss sich die als baumbestandene Allee angelegte Teutoburger Straße an. Sie nahm das Straßenbahngleis in der Straßenmitte auf.

In Höhe der Einmündung der Bergstraße traf die neue Strecke auf die zeitgleich angelegte Verbindung vom Osterfelder Markt zur Teutoburger Straße. Westlich vom eingleisigen Anschluss der Bergstraße befand sich die Ausweiche Hasenstraße.

Weiter ging es eingleisig bis zur Stadtgrenze nach Sterkrade. Von dieser aus errichtete die Oberhausener Straßenbahn eine 1,29 Kilometer lange Verbindung bis zur Kreuzung mit der Vestischen Straße, über die bereits seit 1901 die Linie 2 der Oberhausener Straßenbahn von Sterkrade nach Osterfeld fuhr.

LINIE 22

Am 1. Oktober 1927 konnte die 4,7 Kilometer lange Neubaustrecke vom Pferdemarkt über die Zeche Jakobi bis zur Stadtgrenze nach Sterkrade in Betrieb genommen werden. Zeitgleich wurde ein Gemeinschaftsverkehr mit der Oberhausener Straßenbahn als Linie 22 auf der Relation Bottrop Pferdemarkt – Zeche Jacobi – Sterkrade Bahnhof aufgenommen. Dieser wurde 1928 bis zur Ausweiche Welheimer Straße in Boy ausgeweitet. In Sterkrade hatte die Oberhausener Straßenbahn im Vorgriff auf die höhere Frequenz zuvor die Strecke in der Teutoburger Straße und der Bahnhofstraße zweigleisig ausgebaut.

Am 1. April 1930 wurde der Gemeinschaftsverkehr bereits beendet. Grund dafür war eine Auseinandersetzung zwischen der Stadt Oberhausen und dem Kreis Recklinghausen: Nach der Eingemeindung von Osterfeld und Sterkrade am 1. August 1929 beanspruchte Oberhausen die vestischen Strecken. Nachdem Oberhausen anfangs nur die eigenen Straßenbahnwagen von der „22“ abzog, wurden die Fahrgäste später an der Stadtgrenze zu einem Umstieg gezwungen.

Erst Mitte der 1930er-Jahre konnten die Verkehrsbetriebe eine Einigung erzielen. Ab dem 1. Februar 1936 betrieben die Vestischen Kleinbahnen die Sterkrader Strecke nunmehr als Pachtstrecke.

ABSCHIED IN STERKRADE

In den folgenden Jahren wechselte die Verbindung nach Sterkrade mehrfach die Linienbezeichnung. In Erinnerung ist einigen Zeitzeugen noch die 1947 eingeführte Linie 23. Sie fuhr anfangs vom Bahnhof Sterkrade bis Gladbeck Rathaus und ab dem 15. März 1948 darüber hinaus bis Zweckel.

Ab dem 19. Oktober 1958 übernahm die Linie 17 die Sterkrader Strecke, deren nördlicher Endpunkt nunmehr bis zum 22. November 1964 in Kirchhellen und danach in Gladbeck lag. Zugleich verschwanden die seit Oktober 1957 zeitweise auf der „23“ eingesetzten Düwag-Gelenkwagen. Da sie in Sterkrade aufgrund zu enger Radien am Bahnhof nicht fahren konnten, mussten die nach Sterkrade reisenden Fahrgäste an der Ausweiche Hasenstraße in Zweiachser umsteigen.

Zwischen 1959 und 1964 wurde die Trasse in der Teutoburger Straße in mehreren Abschnitten zweigleisig ausgebaut. Dabei wurde der Baumbestand zugunsten breiterer Fahrbahnen dem wachsenden Individualverkehr geopfert. In Sterkrade wurde die Zufahrt zur Endstelle am Bahnhof nunmehr durch größere Radien für den Einsatz vierachsiger Großraumwagen ertüchtigt.

Der moderne Straßenbahnbetrieb mit Großraumwagen war gleichwohl nur von kurzer Dauer. Seit einer Sitzung des Stadtrates am 5. Juli 1965 war in Oberhausen die Einstellung des Straßenbahnnetzes eine beschlossene Sache.

Bereits mit dem Wechsel zum Winterfahrplan 1965/66 wurde am 2. Oktober 1965 die Oberhausener Linie 2 Oberhausen – Osterfeld – Sterkrade eingestellt. Die Vestischen Strassenbahnen waren nunmehr allein auf der Sterkrader West-Ost-Achse unterwegs, bis auch sie am 16. April 1968 den zuletzt als Pachtstrecke von der Linie 17 befahrenen Abschnitt zwischen Sterkrade Bahnhof und Osterfeld Harkortstraße aufgaben.

Die Oberhausener Straßenbahn beendete den Schienenverkehr am 13. Oktober 1968 mit der Einstellung der Linie 1 Holten Bahnhof – Broermann Realschule. In Osterfeld und Bottrop übernahm die Linie 10 ab dem 16. April 1968 das Teilstück Harkortstraße -Heidenheck – Pferdemarkt. Die Einstellung dieser Strecke erfolgte am 20. Oktober 1974.