ÜBER MICH

Mein Name ist Ludwig Schönefeld. Nach einer journalistischen Ausbildung im Ruhrgebiet, dem Studium der Sozialwissenschaften, Geschichte und Literaturwissenschaft und einem internationalen Werdegang in Unternehmenskommunikation und Marketing, engagiere ich mich aktuell als Interim-Manager, Berater und Autor.

Die Entwicklung des Ruhrgebiets zur Metropole Ruhr interessiert mich seit meiner Jugend. Ein weiteres Interessengebiet ist die Darstellung von Industrie und industrieller Arbeit in Grafiken, Aquarellen und Ölgemälden.

ERINNERUNG

Meine Erinnerung an die „Vestische“ reicht bis in die frühen 1970er-Jahre zurück. Mit meiner Mutter besuchte ich schon als Kind häufig die Omi und die Patentante in Sterkrade. Die Fahrt von Wattenscheid nach Sterkrade führte ab Gelsenkirchen-Bismarck über die noch nicht fertiggestellte A 42 bis Bottrop-Süd und von dort über die Teutoburger Straße nach Sterkrade. Wenn ich mitten auf der Straße einen Straßenbahnwagen sah, wusste ich genau, dass wir mit unserem dunkelblauen VW Käfer die Stadtgrenze zwischen Bottrop und Oberhausen überquert hatten. Zum Hagelkreuz war es jetzt nur noch ein kurzer Weg.

Meine Mutter versäumte an dieser Stelle zumeist nicht, darüber zu erzählen, dass sie Anfang der 1960er-Jahre, nach der Verlobung mit meinem Vater, mit der Straßenbahn von Sterkrade nach Wattenscheid gefahren sei, um sich bei den Schwiegereltern vorzustellen. Tatsächlich kam wohl der Vater häufiger mit dem Auto in Sterkrade zu Besuch. Heute weiß ich, dass die Straßenbahnen damals an der Haltestelle Harkortstraße auf die Rückfahrt nach Marl-Sinsen warteten – so wie der im September 1967 von Reinhard Todt fotografierte Triebwagen 382 (Sammlung Wolfgang R. Reimann).

Ab 1974 führte der „Emscherschnellweg“ bis Oberhausen. Wir kamen jetzt nicht mehr nach Bottrop und Osterfeld. Auch die Straßenbahn fuhr dort seit dem 25. März 1974 nicht mehr.

Im weiteren Verlauf des Jahres 1974, nach dem Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium in Bochum, traf ich die Straßenbahnwagen der Vestischen Straßenbahnen häufiger. Die im Gemeinschaftsverkehr auf der Linie 8/18 eingesetzten Fahrzeuge waren Exoten im Bochumer Stadtbild, das ansonsten von den Düwag-Standardwagen der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA) geprägt war.

Im 1. Mai 1977 hatte ich dann erstmals die Gelegenheit, mit einem Vestischen Straßenbahnwagen zu fahren. Das Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen wurde erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Eltern hatten mir erlaubt, ohne Begleitung mit der Straßenbahn dorthin zu fahren.

Am Bochumer Südring stieg ich in den auf der Linie 18 eingesetzten Triebwagen 387 der „Vestischen“. Die Fahrzeugnummer habe ich damals in einem Notizheft notiert. Ich war überrascht: Das Fahrgefühl war ganz anders als in den Wagen der Linie 2, mit denen ich täglich von Wattenscheid zur Schule fuhr. Ich erinnere mich noch gut an das Klacken des Fahrschalters und an die spezielle Geräuschkulisse, die von den vier Garbe-Lahmeyer-Motoren und vom Sécheron-Lamellenantrieb der Gelenktriebwagen verursacht wurde.

In Linden-Mitte kam der Triebwagen 386 entgegen. Er warb damals farbenfroh für den Löwenpark in Westerholt. Mit meiner Kompaktkamera von Agfa, die ich einige Jahre zuvor zur Feier der Erstkommunion bekommen hatte, habe ich die beiden Triebwagen fotografiert.

Im Laufe der Zeit fand ich heraus, dass es weitere Unterschiede gab: Bereits aus der Entfernung fielen die fehlenden Dachisolatoren auf dem B-Teil der Gelenktriebwagen auf. Die Außenspiegel waren größer als die ovalen Spiegel bei der BOGESTRA – fast so wie bei modernen Lastwagen und Omnibussen. Einige Triebwagen hatten Fahrpulte mit Drucktasten. Das waren die 1969 aus Mönchengladbach übernommenen Triebwagen 400 bis 403. Darüber hinaus gab es bei der Vestischen Straßenbahn vereinzelt noch vierachsige Großraumwagen, von denen der Fahrschulwagen 348 gelegentlich in Bochum zu Gast war.

MYTHOS

Die Sache machte neugierig. Zumal die Straßenbahnfreunde, die ich nach und nach kennenlernte, von der „Vestischen“ und ihren Überlandstrecken schwärmten. Die meisten dieser Linien waren zu meiner Zeit bereits stillgelegt. Wie sehr beneidete ich damals die älteren Straßenbahnfreunde, die noch Gelegenheit hatten, mit der „Vestischen“ nach Gladbeck und Horst oder – im Vierachser – nach Marl-Sinsen zu fahren.

Noch vor der Einführung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr unternahm ich mit Billigung der Eltern die erste Fahrt mit der 8/18 nach Recklinghausen. Die bevorstehende Einstellung des Restbetriebs der Linie 210 führte mich dann 1980 mehrfach in den Norden von Gelsenkirchen. Bei der Einstellung der 210 zwischen Herten und Buer Nord Bahnhof gehörte ich zu den wenigen Straßenbahnfreunden, die mitten in der Nacht den Einbau der neuen Umsetzweiche am Resser Weg beobachteten.

Bei den letzten Fahrten der Linie 210 zwischen Recklinghausen und dem Resser Weg in Herten war ich ebenso dabei wie beim Abschied von der Linie 305 zwischen Herne und Recklinghausen, der letzten Straßenbahnstrecke der „Vestischen“. Am Tag nach der Einstellung des Linienverkehrs durfte ich mit einigen anderen Straßenbahnfreunden sogar an der internen Abschiedsfeier im Betriebshof Recklinghausen teilnehmen.

In den folgenden Wochen pilgerten die Straßenbahnfreunde häufig zum Betriebshof Gelsenkirchen. Einerseits, um den Abtransport der nach Lille in Nordfrankreich verkauften Straßenbahnwagen zu beobachten, andererseits, um das eine oder andere Stück als Erinnerung an die „Vestische“ zu ergattern.

ZEITGESCHICHTE

Die Mitarbeitenden der Vestischen Straßenbahnen haben die jugendlichen Fans ihrer Straßenbahn immer sehr ernst genommen. Im Gespräch mit pensionierten Straßenbahnern habe ich als angehender Journalist gespürt, dass sie einen Teil ihrer Erinnerung an folgende Generationen weitergeben wollten. Umso mehr freue ich mich, dass mir diese Website nunmehr die Gelegenheit gibt, den damals übernommenen Auftrag auszuführen und ein Stück zugleich ein Stück der Geschichte des nördlichen Ruhrgebiets zu dokumentieren.