Ein Jahr nach der Eröffnung der Straßenbahnstrecke vom Altmarkt zur Schachtanlage Arenberg Fortsetzung in Boy konnten durch einen über den Jahreswechsel 1913/14 Netzausbau auch die Siedlungen rund um die Schachtanlage Prosper II mit einer Straßenbahnstrecke erschlossen werden.
Die Schachtanlage Prosper II war bereits 1871 von der Arenbergsche AG für Bergbau und Hüttenbetrieb im Südosten des Bottroper Stadtgebiets abgeteuft worden. 1875 wurde die Förderung aufgenommen. 1895 war der Ausbau zu einer Doppelschachtanlage mit dem Förderbeginn des ab 1893 geteuften Schachtes 3 abgeschlossen. Ein dritter Schacht, Schacht 8, wurde 1917 niedergebracht. Er nahm 1921 den Betrieb auf. Die Schächte 2 und 8 wurden 1986 verfüllt. Spektakulär war bis zur Einstellung der Schachtanlage im Jahr 2018 die Kohleförderung über den 1984 angelegten Förderberg: Ein rund 3,5 Kilometer langes Förderband transportierte die in bis zu 786 Metern Tiefe abgebaute Kohle zutage. Auf Prosper II wurde die Kohle anschließend in der Zentralaufbereitung für ihren jeweiligen Verwendungszweck sortiert. 2020 wurde der Förderberg verfüllt. Heute erinnert der als Industriedenkmal erhaltene Förderturm von Schacht 2 an den Bergbau in Bottrop.
ÜBER DIE HOCHSTRASSE
Anfangs favorisierten die Recklinghausener Strassenbahnen eine Streckenführung vom über die Horster-Strasse (heute Horster Straße) bis zum Neumarkt (heute Berliner Platz). Hier sollte die Trasse in die damalige Kaiser-Strasse (heute Brauerstraße) abzweigen und über diese die damalige Louisenstrasse (heute Prosperstraße) erreichen. Über diese sollte sodann die Schachtanlage Prosper II erreicht werden.
Auf Betreiben der Bottroper Kommunalpolitik wurde die bereits vom Regierungspräsident genehmigte Trasse im Herbst 1913 zugunsten einer Linienführung vom Pferdemarkt über die Hoch-Strasse und die Essenerstrasse zur Louisenstrasse geändert. Dazu musste vorab eine Einigung mit den Essener Strassenbahnen über die gemeinschaftliche Nutzung der Gleise zwischen dem Pferdemarkt und dem Abzweig in die Louisenstrasse getroffen werden.
Da die Recklinghausener Strassenbahnen bereit waren, auf dem gemeinschaftlich genutzten Abschnitt das zweite Gleis zu finanzieren, fand man schnell eine Einigung. Zudem wurde darüber verhandelt, die neue Strecke über die Endstelle an der Zeche Prosper II bis Karnap weiterzuführen. Dieses Projekt wurde nicht weiterverfolgt.
VERBINDUNGSGLEIS
Die alternative Streckenführung über den Pferdemarkt machte es möglich, den neuen Streckenabschnitt an die Linie C von Boy zum Altmarkt anzubinden und ohne einen Richtungswechsel zu befahren.
Da die Rangierarbeiten der am Altmarkt umsetzenden Linie C als Hindernis empfunden wurden, wurden das zweite Gleis in der Hoch-Strasse, der Abzweig von der Essenerstrasse in die Louisenstrasse sowie das notwendige Verbindungsgleis am Pferdemarkt in recht kurzer Frist fertiggestellt. Bereits am 31. Dezember 1913 konnten die Wagen der Linie C über den 600 Meter langen, ergänzenden Linienweg vom Altmarkt bis in den Gleisstumpf in der Louisenstrasse geleitet werden und fortan dort umsetzen.
Die Eröffnung der eingleisigen Weiterführung bis zur Zeche Prosper II folgte am 5. Mai 1914. Auf dem neuen Abschnitt lag das Gleis in der Straßenmitte. Ausweichen gab es in Höhe der Einmündung der Pass-Straße sowie an der Endstelle in Höhe der Straßenunterführung an der Hamm-Osterfelder-Eisenbahn.
LINIE 20 – LINIE 22
Bei der Einführung von Liniennummern erhielt die Verbindung von Boy zur Zeche Prosper II 1916 die Nummer 20. Da sich herausstellte, dass die Lage der Endstelle unter der Brücke den übrigen Verkehr auf der Prosperstraße stark behinderte, wurde sie 1919 um einige Meter nach Osten verlegt. Fortan lag sie unmittelbar vor dem Postamt zwischen der Eisenbahnbrücke und der Einmündung der Knappenstraße.
Die weiteren Jahre verliefen weitgehend unspektakulär. In der Zeit vom 27. Dezember 1922 bis zum 9. Februar 1924 wurde der Linienbetrieb allerdings infolge der Hyperinflation vorübergehend eingestellt.
Ab dem 1. Mai 1944 pendelte die Linie 22 zwischen dem Pferdemarkt und Prosper II, ab den 18. Dezember 1945 wurde sie bis zum Bahnhof Gladbeck-Ost durchgebunden. Die Wagen trugen in den folgenden Jahren das Liniensignal 19/22.
FRÜHES ENDE
Über die gesamte Zeit des Bestehens investierten die Vestischen Kleinbahnen und nach ihnen die Vestischen Straßenbahnen kaum in den Unterhalt der Strecke. Entsprechend schlecht war der Gleiszustand Anfang der 1950er-Jahre.
Am 6. September 1953 verkehrte letztmalig ein Zug der Linie 19/22. Am Tag darauf übernahmen von Krauss-Maffei gelieferte Omnibusse den Verkehr.
Das Beitragsbild entstand um 1930 bei Straßenbauarbeiten. Auf der Linie 20 ist der 1909 gebaute Triebwagen 112 im Einsatz. Er hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine umgestaltete Frontpartie mit nur zwei Fenstern (unbekannter Fotograf – Sammlung Stadtarchiv Bottrop).