Im Netz der Vestischen Straßenbahnen war die Linie 12 eine der wichtigsten Städteverbindungen. Deshalb wurde sie Mitte der 1960er-Jahre, als die ersten Ideen für ein künftiges Stadtbahnnetz an Rhein und Ruhr gesammelt wurden, als Ausbaustrecke qualifiziert. Bei der notwendigen Neutrassierung der Streckenabschnitte zwischen Hassel und Polsum sowie zwischen Recklinghausen und Marl-Sinsen wurde dies bereits berücksichtigt.
Den hohen Ausbaustandard der Strecke von Recklinghausen nach Sinsen – mit eigenem Bahnkörper und Hochkettenfahrleitung – dokumentiert das im April 1971 in Höhe der Bauernschaft Speckhorn aufgenommene Beitragsbild (Foto Eckehard Frenz – Familienarchiv Frenz). Wenige Jahre zuvor, als Wolfgang Hilger am 7. Oktober 1967 die Linie 12 fotografierte, war die Trasse noch eingleisig.
ABSCHIED 1969 UND 1977
Trotz der von den Vestischen Straßenbahnen vorangetriebenen Modernisierung der Strecken hatte die Straßenbahn in Marl keine Zukunft. Die Umstände, die zur Einstellung der Straßenbahn in Marl geführt haben, sind aktuell historisch noch nicht aufgearbeitet.
Am 27. Mai 1969 wurde der zuletzt von der Linie 12 befahrene Streckenabschnitt zwischen Polsum Ehrenmal und Marl-Sinsen stillgelegt und auf Omnibusse umgestellt. Die Linie 12 fuhr nunmehr von Resse über Buer bis Polsum Ehrenmal. Am 3. Juni 1973 übernahm die Linie 1, die nunmehr vom Nordcharweg in Recklinghausen über Herten, Resse und Buer bis Polsum Ehrenmal fuhr.
Am 27. Juni 1974 wurde die Linie 1 in Linie 11 umbenannt, um Verwechselungen mit der Linie 1 der BOGESTRA in Buer auszuschließen. Damit kam man insbesondere den zur Fußball-Weltmeisterschaft aus aller Welt anreisenden Fans entgegen, denen die Unterscheidung zwischen den Linien von BOGESTRA und Vestischer vermutlich schwergefallen wäre. Gleichzeitig wurde der Linienweg in Recklinghausen bis zum Hauptbahnhof verkürzt.
Die Strecke von Recklinghausen nach Marl-Sinsen wurde anfangs von der Linie 10 übernommen, ab dem 20. Oktober 1974 verstärkte die Linie 11 auf diesem Streckenabschnitt den Takt. Sie fuhr jetzt von Polsum Ehrenmal über Buer, Herten und Recklinghausen bis Marl-Sinsen.
Offenbar bewährte sich die Taktverdichtung nicht: Ab dem 16. November 1975 war der Hauptbahnhof in Recklinghausen wieder die Endstelle für die Linie 11.
Am 28. Mai 1977 wurde der Straßenbahnverkehr auf dem Streckenast von Recklinghausen nach Marl-Sinsen auf Omnibusse umgestellt. Die Linie 11 wurde vollständig eingestellt. Die Linie 10 blieb auf der Relation Recklinghausen – Herten – Resse – Buer – Gladbeck – Horst erhalten.
Das abschließende, im Frühjahr 1977 aufgenommene Foto zeigt die zuvor modernisierte, zu diesem Zeitpunkt aber bereits wieder in Teilen demontierte Trasse zwischen Polsum und Hassel kurz vor der Einstellung. In der Gemarkung Beckhöfen ist Triebwagen 387 auf der Linie 11 in Richtung Recklinghausen unterwegs. Im Vordergrund ist die kleine Brücke über den Hasseler Mühlenbach zu erkennen (Foto Eckehard Frenz – Familienarchiv Frenz).


