Parallel zum Bau der Straßenbahnstrecke von Buer über Scholven nach Gladbeck wurde das bereits 1912 angedachte Projekt, Buer auch auf direktem Weg über die Bülser Heide mit der im Westen an das Stadtgebiet angrenzenden Nachbarstadt zu verbinden, erneut aufgegriffen.
Der Erste Weltkrieg und andere Bauvorhaben hatten dazu geführt, dass die Direktverbindung über lange Zeit zurückgestellt wurde. Als Pilotprojekt hatte man allerdings im Oktober 1920 eine Omnibuslinie von Schalke über Buer nach Gladbeck eingerichtet. Sie nahm zwischen der Freiheit in Buer und Gladbeck bereits den auch für die Straßenbahn angedachten Weg über die Gladbecker Straße in Buer und die Buersche Straße in Gladbeck.
Im November 1920 wurde die Busverbindung über Rentfort bis Kirchhellen verlängert, ab dem 23. Dezember 1920 fiel der südliche Abschnitt weg. Der Bus befuhr jetzt von Buer die 11,2 Kilometer lange Strecke nach Kirchhellen. Vom 1. Februar 1921 an wurde die Buslinie von Buer bis Herten und von Kirchhellen bis Dorsten verlängert. Sie erreichte damit eine Streckenlänge von 27,54 Kilometern. Obwohl der Bus gut angenommen wurde, erzwangen steigende Betriebskosten am 24. August 1921 die Einstellung des Autobusbetriebs.
14,5 MILLIONEN FÜR NEUE STRECKEN
Da sich die Nachfrage auf der Omnibuslinie während des Pilotprojektes in den Jahren 1920 und 1921 hervorragend entwickelte hatte, fiel in der Stadtverordnetensitzung der Stadt Buer am 8. März 1922 der Entschluss zum Bau einer Direktverbindung von Buer nach Gladbeck. Außerdem stimmten die Stadtverordneten der Weiterführung des Netzes von Hassel nach Marl, dem Bau einer Strecke von Buer über Westerholt nach Langenbochum sowie dem Zusammenschluss der Netze der Vestischen Straßenbahnen und der Bochum-Gelsenkirchener Strassenbahnen im Zusammenhang mit der Anlage des Goldbergplatzes am Bueraner Rathaus zu.
Ursprünglich nicht auf der Tagesordnung stand auch eine Weiterführung der Scholvener Linie zum Scheideweg. Auch dieses, mit einer Million Mark veranschlagte Projekt wurde auf Anregung mehrerer Stadtverordneter bewilligt. In Summe wurden für den Neu- und Ausbau der Bueraner Straßenbahnstrecken 14,5 Millionen Mark in den Haushalt eingestellt. Weitere 500.000 Mark wurden für den Goldbergplatz bewilligt.
Aufgrund der 1922 einsetzenden Hyperinflation konnten zahlreiche Industriebetriebe ihrer Arbeiter nicht mehr bezahlen. Ähnlich war die Situation im Tiefbau. Die Folge war eine zunehmende Materialknappheit. Dort wo – wie in Scholven – bereits gearbeitet wurde, kamen die Arbeiten ins Stocken.
Der ursprünglich von den Bueraner Stadtverordneten geforderte Fertigstellungstermin aller Projekte „bis zum 1. April nächsten Jahres“ war nicht zu halten. Dazu trug insbesondere auch die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen bei. Buer wurde als eine der ersten Städte am 11. Januar 1923 besetzt.
ERÖFFNUNG AM 1. MÄRZ 1925
Der Bau der Direktverbindung von Buer nach Gladbeck konnte erst im Frühjahr 1925 abgeschlossen werden. Nach der landespolizeilichen Abnahme am 28. Februar wurde die Neubaustrecke zwischen der Einmündung der Feldhauser Straße in Buer und dem Bahnübergang am Bahnhof Gladbeck Ost am 1. März 1925 im Personenverkehr in Betrieb genommen.
Die neue Strecke zweigte an der Einmündung der Feldhauser Straße von der bereits 1920 eröffneten Linie Buer – Scholven ab. Über den westlichen Abschnitt des Nordrings erreichte das Gleis die Gladbecker Straße. Diese wechselte an der Stadtgrenze ihren Namen und wurde zur Buerschen Straße.
Von der Einmündung der Bülser Straße bis zum Bahnübergang am Bahnhof Gladbeck Ost nutzten der zeitgleich fertiggestellte Streckenabschnitt vom Scheideweg nach Gladbeck Ost und die neue Direktverbindung die gleiche Trasse. Das Gleis endete anfangs als Stumpfgleis unmittelbar vor dem Bahnübergang der Bahnlinie von Bismarck nach Winterswyk.
ZUM BAHNHOFSVORPLATZ
Zum Zeitpunkt der Eröffnung erhielt die Direktverbindung von Buer Rathaus zum Bahnhof Gladbeck Ost die Liniennummer 11. Bereits nach wenigen Tagen wurde das geändert. Die Linie 11 verschwand. Stattdessen fuhr jetzt nach einem Bericht der Gladbecker Zeitung vom 17. März auf beiden Strecken die Linie 10. Die Fahrgäste mussten sehr genau auf das Linienschild achten, um den richtigen Wagen zu erwischen.
Der zunächst eingleisig geplante Abzweig von der Buerschen Straße in die Berliner Straße (heute Bülser Straße) wurde vermutlich bereits 1925, in der letzten Bauphase der neuen Verbindung, doppelgleisig angelegt. Die vorgesehene Verlängerung der Strecke um 200 Meter auf den Vorplatz des Bahnhofes Gladbeck Ost kam demgegenüber nur schleppend voran. Am 28. April 1925 bezeichnete die Gladbecker Zeitung das Bauvorhaben in der Bahnhofstraße als „Schmerzenskind“. Das Tiefbauamt erklärte demgegenüber, dass es nur noch der Verlegung der Oberleitung bedürfe, um die Endstelle am Bahnhof in Betrieb zu nehmen.
Ganz so weit waren die Arbeiten wohl doch nicht vorangeschritten: Erst am 29. Mai 1925 wurden die Pläne für die Weiterführung der Straßenbahn von der Buerschen Straße zum Empfangsgebäude am Bahnhof Gladbeck Ost mit einer Einspruchsfrist von 14 Tagen öffentlich ausgelegt.
Am 21. September 1925 konnten die neue Endstelle und das Umsetzgleis am Bahnhof Gladbeck Ost endlich in Betrieb genommen werden. Die Linie 10 verkehrte nunmehr ausschließlich auf der Direktstrecke von Buer nach Gladbeck. Die Strecke von Buer über Scholven nach Gladbeck fuhr jetzt wieder als Linie 11.
NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
Die Linienbezeichnungen 10 und 11 wurden nunmehr für lange Zeit beibehalten. 1943 konnte mit Genehmigung der Eisenbahndirektion endlich ein Verbindungsgleis zwischen dem Ost- und Westnetz der Vestischen Straßenbahnen die Gleise der Bahnlinie Bismarck – Winterswyk kreuzen. Ab dem 20. Oktober 1957 befuhren beide Linien den Bahnübergang im Linienverkehr: die Linie 10 mit dem neuen Fahrtziel Oberhausen Osterfeld Hasenstraße, die Linie 11 mit dem neuen Fahrtziel Bottrop Knappschaftskrankenhaus.
Auf dem am 14. März 1964 aufgenommenen Beitragsbild kreuzt Triebwagen 371 auf seiner Fahrt nach Osterfeld den Bahnübergang am Bahnhof Gladbeck-Ost (Foto Wolfgang R. Reimann). Im Vordergrund ist noch der Abzweig zum Bahnhofsvorplatz zu sehen. Er stammte noch aus der Zeit, als die Eisenbahngleise nur zu betriebsinternen Zwecken gekreuzt werden durften.
AUSBAU ZWISCHEN BUER UND GLADBECK
Größere Veränderungen zwischen Buer und Gladbeck brachten erst die umfangreichen Straßenbauprojekte der frühen 1960er-Jahre.
Die noch auf die Eröffnung der Strecke nach Scholven zurückgehende, unmittelbar am Bahnhof Buer-Nord entlangführende Streckenführung wurde 1964 aufgegeben. Nunmehr wurde die Linie 10 in diesem Bereich über den inzwischen vierspurig ausgebauten Nordring geführt, auf dessen Mittelstreifen in Höhe des Bahnhofs die Haltestelle Bahnhof Buer Nord angelegt wurde.
In den folgenden Jahren wurde die vierspurige Straßentrasse und der separate doppelgleisige Bahnkörper in mehreren Bauabschnitten bis zur Kreuzung mit der Bülser Straße und der Erlenstraße in Gladbeck weitergeführt. Im März 1974 wurden die umfangreichen Arbeiten mit der Inbetriebnahme einer neuen Brücke über die Gleise der DB am Bahnhof Gladbeck-Ost abgeschlossen. Die Trasse der Linie 10 erfüllte damit alle Anforderungen, die bis in die 1980er-Jahre hinein an einen modernen Stadtbahn-Vorlaufbetrieb gestellt wurden.
SCHILLERSTRASSE
Da die Buersche Straße jetzt in die Humboldstraße mündete, wurde die Straßenbahn über ein eingleisiges Streckenstück in westlicher Seitenlage durch die Schillerstraße in die Gladbecker Innenstadt geführt.
Die Bebauung rund um die Kreuzung von Hoch-, Schiller- und Lambertistraße war gleichwohl zu eng, um die Linie 10 weiterhin in Richtung Bottrop zu führen. Die Linie 10 tauschte deshalb am 25. März 1974 ihren westlichen Linienast mit der Linie 17 und endete fortan in der Lambertistraße. Damit ergab sich für die Linie 10 der neue Linienweg Recklinghausen Hbf. – Buer – Gladbeck Lambertistraße und für die Linie 17 der Linienweg Bottrop Pferdemarkt – Gladbeck – Horst Essener Straße.
Ursprünglich war vorgesehen, das eingleisige Provisorium in der Schillerstraße mittelfristig doppelgleisig auszubauen. Bis zum November 1974 wurde deshalb die Innenstadtkreuzung vollkommen umgebaut. Anstelle des doppelgleisigen Abzweigs von der Hoch- in die Lambertistraße entstand jetzt ein doppelgleisiger Abzweig von der Lamberti- in die Hochstraße. Die von der Lambertistraße geradeaus in die Schillerstraße führenden Gleise mündeten bereits nach wenigen Metern in die eingleisige Trasse.
Nach der Einstellung der Linie 17 (Bottrop Pferdemarkt – Gladbeck – Horst Essener Straße) am 27./28. November 1976 – Triebwagen 387 wurde noch am Vormittag des 28. November als letzter Wagen der „17“ mit Blasmusik festlich verabschiedet – übernahm die Linie 10 den Streckenast von Gladbeck nach Horst. Zu diesem Zeitpunkt war die endgültige Einstellung des Straßenbahnnetzes im Vest bereits beschlossene Sache, sodass ein zweigleisiger Ausbau der Schillerstraße unterblieb.
RÜCKZUG
Noch zwei Jahre fuhr die Linie 10 in Gladbeck. Am 31. Oktober 1978 wurde der Straßenbahnverkehr in Gladbeck endgültig eingestellt. Die Endstelle der Linie 10 wurde bis zur Haltestelle Bahnhof Buer Nord zurückgezogen.
Die Politik hatte das Interesse an der Straßenbahn verloren. Die vorbildlich ausgebaute Strecke durch die Bülser Heide wurde zuletzt von der Linie 10 nur noch im 30-Minuten-Takt befahren. Schon kurze Zeit nach der Einstellung wurden die Gleise zwischen Buer und Gladbeck demontiert und durch einen Grünstreifen ersetzt.
Am 1. Oktober 1980 wurde die inzwischen in „210“ umbenannte Linie 10 der Vestischen Straßenbahnen auch zwischen den Haltestellen Bahnhof Buer Nord und Herten Resser Weg eingestellt.
Den Streckenabschnitt zwischen Buer und dem Nordbahnhof übernahm die Linie 302. Aufgrund des schlechten Gleiszustandes wurde er am 30. Juni 1984 endgültig aufgegeben. Die Linie 302 wendet seither in der Endstellenanlage Buer Rathaus.