Zum Zeitpunkt der Eröffnung der Straßenbahn in Bottrop schien zunächst der Altmarkt der zentrale Punkt im Bottroper Netz der Recklinghausener Strassenbahnen zu werden. Hier lag anfangs die Ausweiche für die Strecke von Gladbeck-Ost nach Osterfeld. Die Endstelle der Essener Strassenbahnen in der Essenerstrasse war nach wenigen Minuten Fußweg über die heutige Hansastraße zu erreichen.
Schon bald stellte sich gleichwohl heraus, dass die Kreuzung der Straßenbahnwagen und gegebenenfalls die vorübergehende Abstellung von Anhängewagen am eng bebauten Altmarkt ein Hindernis waren. Deshalb wurde die Ausweiche bereits 1911 um einige Meter nach Westen bis zum Pferdemarkt verschoben. Damals hieß die heutige Osterfelder Straße in Höhe des Pferdemarktes noch Vestische Provinzialstraße.
ZENTRALER UMSTEIGEPUNKT
Mit der Verschiebung des Ausweichgleises begann die Entwicklung des Pferdemarktes zum zentralen Umsteigepunkt in Bottrop. Bereits am 13. Juni 1909 hatten die Essener Strassenbahnen ihre Endstelle von der Essenerstrasse mittels einer über die Hoch-Strasse führenden Neubaustrecke zum Pferdemarkt verlegt.
In den Jahren 1912 und 1913 wurde die zuvor eingleisige Straßenbahntrasse zwischen dem Pferdemarkt, dem Altmarkt und dem ehemaligen Marienhospital am Kreuzkamp (heute Ecke Gladbecker Straße / Scharnhölzstraße) einschließlich des für die Linie nach Boy vorgesehenen Abzweigs in die damalige Kaiser-Strasse (heute Horster Straße) zweigleisig ausgebaut. Der zweigleisig ausgebaute Abschnitt wurde 1929 bis zum Betriebshof verlängert.
Im Zusammenhang mit dem zweigleisigen Ausbau wurden am Pferdemarkt zwei Gleiswechsel eingebaut. Diese ermöglichten nunmehr sowohl aus westlicher als auch aus östlicher Richtung die Mitführung und Umfahrung von Anhängewagen. Der westliche Gleiswechsel war zudem eine wichtige Voraussetzung für den Anschluss des 1913 angelegten Verbindungsgleises von der Vestischen Provinzialstraße (heute Osterfelder Straße) zur Hoch-Strasse. Dieses Gleis wurde notwendig, um die Linie C über die Hoch-Strasse zur Zeche Prosper II weiterzuführen.
Vermutlich zur Abstellung von Beiwagen und Verstärkerwagen sollte ein ebenfalls 1913 angelegte drittes Gleis in der Provinzialstraße dienen. Dieses zweigte nach der Einfädelung des Verbindungsgleises vom nördlichen Doppelgleis ab.
Im Zusammenhang mit dem Bau der Straßenbahnlinie nach Sterkrade wurde in den Jahren 1926 und 1927 die bestehende Trasse vom Pferdemarkt über den neuen Abzweig Heidenheck bis Osterfeld zweigleisig ausgebaut – und damit auch der westliche Teil der Gleisanlagen am Pferdemarkt.
In den 1930er-Jahren entstand auch das hier als Beitragsbild gezeigte Postkartenmotiv des Pferdemarktes. Rechts im Bild ist die Endstelle der Essener Straßenbahn zu erkennen. Im Zentrum warten ein Omnibus und ein Straßenbahnwagen der Vestischen Kleinbahnen auf die Fahrgäste (Berti Verlag, Bottrop – Sammlung Ludwig Schönefeld).
UMBAU 1939
1939 wurden Die Gleisanlagen am Pferdemarkt erneut umgebaut. Zur Durchführung von Gütertransporten wurde das Stumpfgleis der Endstelle der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft nunmehr mit dem aus Osterfeld kommenden Richtungsgleis verbunden. Am 6. September war dieses Gleis betriebsbereit. Das 1913 angelegte nördliche Umfahrungsgleis wurde im gleichen Jahr entfernt.
SCHWERE ZERSTÖRUNGEN
Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde die Bottroper Innenstadt im Bereich zwischen Altmarkt und Pferdemarkt schwer getroffen. Viele Gebäude waren zerstört. Zugleich eröffnete die Situation der Stadt die Möglichkeit, den zentralen Innenstadtbereich im Zuge des Wiederaufbaus der 1950er-Jahre neu zu gestalten. Der Pferdemarkt wurde jetzt zu einem weitläufigen Verkehrsplatz, von dessen Großzügigkeit insbesondere die neu entstehenden Omnibuslinien profitierten. Die Straßenbahnhaltestelle in der Mitte der Osterfelder Straße erhielt jetzt beidseitig jeweils etwa zwei Meter breite Haltestelleninseln.
In den 1960er-Jahren folgte der zweite große Umbau des Innenstadtbereichs. Jetzt wurde die Straßenbahnstrecke zwischen dem Altmarkt und dem Kreuzkamp (Gladbecker Straße / Scharnhölzstraße) aufgegeben. Dieser Bereich ist heute eine Fußgängerzone. Stattdessen wurde die Horster Straße aufgeweitet und ausgebaut. Die Straßenbahn wurde vom Altmarkt auf eigenem (gepflasterten) bis zur Kreuzung Horster Straße / Friedrich-Ebert-Straße geführt. Hier zweigte die Gladbecker Strecke nach Norden in die Friedrich-Ebert-Straße ab, um in Höhe des ehemaligen Marienhospitals am Kreuzkamp wieder die alte Trasse zu erreichen. Die Strecke nach Boy wurde an der Kreuzung über die Horster Straße weitergeführt.
Am 4. Oktober 1963 waren die Bauarbeiten im Bereich der Horster Straße und der Friedrich-Ebert-Straße abgeschlossen. Die neue Trasse blieb in Betrieb, bis die zuletzt zwischen dem Pferdemarkt, Gladbeck und Horst eingesetzte Linie 17 am 27. November 1976 den Betrieb einstellte.
RÜCKZUG DER EVAG
Die von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft betriebenen Essener Strassenbahnen gingen am 29. September 1954 in der Essener Verkehrs-AG (EVAG) auf. Ihre Linie 3, die 1961 in Linie 36 umbenannt wurde, fuhr noch bis zum 11. Juni 1967 zum Pferdemarkt. Da am Pferdemarkt kein Platz für eine Wendeschleife war, wurden auf der „36“ zuletzt sechsachsige Zweirichtungs-Gelenktriebwagen eingesetzt.
Auf dem nachfolgenden, am 14. März 1966 aufgenommenen Foto trifft der auf der Linie 11 eingesetzte Triebwagen 368 der „Vestischen“ den EVAG-Triebwagen 1761 auf der Linie 36 (Foto Wolfgang R. Reimann). Im Hintergrund sind die bei der Neugestaltung des Platzes angelegten Haltestelleninseln zu erkennen. Bemerkenswert ist auch die Führung der Oberleitung von der Trasse der Vestischen Straßenbahnen zum Wendegleis der EVAG, einschließlich des extra signalisierten Schalters zur Unterbrechung der Stromversorgung. Die Perspektive entspricht weitgehend dem Beitragsbild.
URBANE QUALITÄT
Inzwischen hat sich das Bild am Pferdemarkt sowie in der Bottroper Innenstadt vollständig gewandelt. Am Pferdemarkt wurden die Straße und der Busbahnhof nach der Einstellung der Straßenbahn zurückgebaut. Die Straße nimmt jetzt nur noch wenig Raum ein. Wie bereits in den 1920er-Jahren gibt es wieder einen Pavillon sowie darüber hinaus ein gastronomisches Angebot. Durch neu gepflanzte Bäume hat der Pferdemarkt urbane Qualität zurückgewonnen.
Im Bereich der Horster Straße und der Friedrich-Ebert-Straße konnten die durch den Ausbau in den 1960er-Jahren geschlagenen Schneisen nur bedingt durch breitere Bürgersteige und Bepflanzungen kaschiert werden. Südlich der Horster Straße befindet sich am Berliner Platz heute der moderne Bottroper Busbahnhof.