Über viele Jahre gab aus der Bevölkerung den Wunsch, den südlich von Recklinghausen liegenden Ortsteil Hochlarmark, in dem aktuell rund 10.000 Menschen leben, auf kürzestem Weg per Straßenbahn mit dem Stadtzentrum zu verbinden. Bereits 1903 gab es erste Pläne, eine Stichstrecke der Straßenbahn von Recklinghausen-Süd nach Hochlarmark zu führen. Einen weiteren Vorstoß unternahm der Magistrat der Stadt Recklinghausen im Oktober 1907.
Die Bauernschaft Hochlarmark war seit den 1869 durch die Aktiengesellschaft Société Civile Belge des Charbonnages d‘ Herne-Bochum aufgenommenen Teufarbeiten des Schachtes Clerget I stark gewachsen. 1882 wurde der Schacht Clerget II abgeteuft. 1889 erhielt die Schachtanlage nach der Übernahme durch die Harpener Bergbau AG die Bezeichnung Recklinghausen I/II.
1899 und 1901 wurden zwischen Stuckenbusch und Hochlarmark die Schächte III und IV abgeteuft. Beide Schachtanlagen wurden durch den Bahnhof Recklinghausen-Süd räumlich getrennt, aber auch betrieblich durch die Gleisanschlüsse verbunden. Bis 1974 blieb die Zeche Recklinghausen in Betrieb.
NICHTS ALS PLÄNE
Trotz der hohen Bevölkerungsdichte in Hochlarmark wurde der Bau der Straßenbahnverbindung von Recklinghausen nach Hochlarmark immer wieder auf die lange Bank geschoben. Stattdessen favorisierte man in den 1920er-Jahren den Bau einer Strecke von Herten nach Hochlarmark, die am 1. April 1927 in Betrieb genommen wurde.
Das Projekt einer Direktverbindung von Recklinghausen wurde erst Anfang der 1930er-Jahre wieder konkret, als die Vestischen Kleinbahnen ungeachtet der damals brachliegenden Gleise im Ludwigviertel eine neue Linie von Recklinghausen über Stuckenbusch, Hochlarmark und Recklinghausen-Süd nach Suderwich planten.
Die Trassenführung durch Stuckenbusch machte auch wirtschaftlich Sinn: In ihrem Einzugsbereich lagen der 1904 abgeteufte Schacht V der Zeche General Blumenthal und etwas weiter südlich die Übertageanlagen der Zeche Recklinghausen III/IV in Hochlarmark. Zwischen dieser und dem Bahnhof Recklinghausen-Süd waren westlich und der Westfalenstraße (zuvor bis 1926 Recklinghäuser Straße) umfangreiche Bergarbeitersiedlungen entstanden.
Die Finanzierung des Projektes war jedoch anfangs nicht sichergestellt, und so dauerte es noch einige Zeit, bis tatsächlich gebaut werden konnte.
INBETRIEBNAHME 1934
Am 15. Februar 1934 konnte nach langer Planungs- und Bauzeit endlich die 6,8 Kilometer lange Neubaustrecke zwischen dem Steintor in Recklinghausen, Hochlarmark und dem Bahnhof Recklinghausen-Süd in Betrieb genommen werden.
Das neue Streckenstück begann am Steintor. Die im weiteren Verlauf bis zu einer Kreuzungstelle in der Westfalenstraße (vor der Holz- und Robertstraße) eingleisige Trasse folgte dann der Kemnastraße und der anschließenden Mühlenstraße. In Höhe der Einmündung der damaligen Stuckenbuschstraße (seit 1967 Rietstraße) wechselte die Straßenbahn bis zum ehemaligen Kloster Stuckenbusch, das von 1901 bis 1969 vom Franziskaner-Orden unterhalten wurde, auf einen eigenen Bahnkörper. Dieser ist heute durch die Trasse der Friedrich-Ebert-Straße überbaut. Unmittelbar am Kloster wurde 1949 zur Einführung eines 30-Minuten-Taktes eine Ausweiche angelegt.
Nach der Überquerung der Reichsautobahn (heute A 2) wurde die weiterhin eingleisige Strecke auf der Westseite der Westfalenstraße in das Zentrum von Hochlarmark geführt. In Höhe der Einmündung der Hüserstraße lag der Übergang zu einem zweigleisigen Abschnitt. Dieser traf am Westfalenhaus auf die hier ebenfalls zweigleisig ausgebaute, 1927 eröffnete Strecke von Herten nach Hochlarmark.
Über die Karlstraße und die Hochlarmarkstraße führte die Trasse jetzt doppelgleisig weiter bis zur Endstelle am Bahnhof Recklinghausen-Süd. In der Hochlarmarkstraße lagen die Gleise bis zu der als Stumpfgleis ausgeführten Endstelle auf der Südseite. Ein doppelter Gleiswechsel vor dem Hochlarmarker Postamt erlaubte die Mitführung von Beiwagen.
LINIE 9
Die neue Verbindung, die auf der Nordseite vom Steintor zum zentralen Umsteigepunkt am Hauptbahnhof weitergeführt wurde, erhielt im Netz der Vestischen Kleinbahnen als Linienbezeichnung die Ziffer 9. Aus der Weiterführung bis zum Hauptbahnhof ergab sich eine Linienlänge von 7,86 Kilometern.
Der Plan, die Linie 9 über Hochlarmark und Recklinghausen-Süd nach Suderwich weiterzuführen, wurde nicht weiterverfolgt. Dies, obwohl man bereits 1926 im Zuge des zweigleisigen Ausbaus der Bochumer Straße in Recklinghausen-Süd diesbezüglich in Vorleistung gegangen war, indem doppelgleisige Abzweige in die Marienstraße und in die Hochlarmarkstraße angelegt worden waren. In der Hochlarmarkstraße wurden die Gleise sogar bis zum Bahnübergang in Höhe der Schachtanlage Recklinghausen weitergeführt. 1942 wurden diese Gleise aufgrund des durch den Zweiten Weltkrieg ausgelösten Rohstoffmangels wieder entfernt und an anderer Stelle weiterverwendet.
EINSTELLUNG 1963
Die Linie 9 stand auch in der Nachkriegszeit nicht unter einem guten Stern. Sie gehörte Anfang der 1960er-Jahren zu den ersten Linien, bei denen die Stilllegungspläne der Vestischen Straßenbahnen griffen: Am 30. März 1963 fuhr zum letzten Mal ein Straßenbahnwagen von Recklinghausen zum Bahnhof Recklinghausen-Süd. Am folgenden Tag übernahm der Omnibus den Linienverkehr zwischen Recklinghausen und Hochlarmark.
In den letzten Jahren vor der Einstellung des Linienverkehrs waren auf der Linie 9 häufig vierachsige Großraumwagen mit zweiachsigen Beiwagen unterwegs. Damals war der Niederländer Hans Oerlemans mit Straßenbahnfreunden im Ruhrgebiet unterwegs. Am Bahnhof Recklinghausen-Süd fotografiert er den Triebwagen 349 und den Beiwagen 187 an der Endstelle am Bahnhof Recklinghausen-Süd. Der Großraumwagen hat soeben in der Ausweiche umgesetzt. Im Hintergrund sind die Schranken des niveaugleichen Bahnübergangs zu erkennen, der eine Weiterführung in den Stadtteil Recklinghausen-Süd verhinderte (Sammlung Wolfgang R. Reimann).